Silvester in Saigon: Karaoke und Krabbenchips

Nachdem ich lange überlegt hatte, wo ich Weihnachten verbringe, bevor ich mich für Phu Quoc entschieden habe, war die Entscheidung für Silvester leicht. Wenn ich schon in Vietnam bin, dann feier ich den Jahreswechsel in Saigon. Allerdings war die Silvesterparty dann eine ganz andere, als ich mir zunächst vorgestellt hatte.

Das Feuerwerk zum Jahreswechsel nach unserem Kalender steigt nur am Fluss. Vom Dach des „Christina’s“ aus konnte man das prima sehen.

Die Vietnamesen feiern ihr Neujahrsfest Tet nach dem Mondkalender, in diesem Jahr fällt es auf den 23. Januar. Trotzdem steigt in Saigon natürlich eine Riesenparty, allein schon um die vielen Touristen zu beglücken, nicht zuletzt aber auch, weil die Vietnamesen ungern eine Gelegenheit zum Feiern auslassen. Wo aber feiern in dieser Riesen-Metropole, wenn man niemanden kennt? Ich hatte zunächst an eine der Rooftop-Bars gedacht, vor allem wegen der Atmosphäre und der Aussicht. Auf die Feiermeile, in Saigon Walking Street genannt, hatte ich wenig Lust. An meinem ersten Abend in Saigon hatte ich gesehen, dass da schon an normalen Tagen abends kaum noch ein Durchkommen ist. Ich habe von jeher an Silvester lieber ein paar nette Menschen um mich rum, anstatt Tausende anonyme Gesichter. Meine Rettung hieß Christina, obwohl sie gar nichts davon weiß.

Christina ist Kölnerin, dazu Namensgeberin und Mit-Eigentümerin einer Reihe von Unterkünften in den touristischen Zentren Vietnams. „Christina’s“ hat sich in den vergangenen paar Jahren zu einer Kette mit einem Konzept entwickelt, das auf Qualität statt auf Masse setzt, und das mit vielen, klug durchdachten Details erreicht. Dazu gehört, dass die Mitarbeiter fair bezahlt werden, dass die Touren über die hauseigene Agentur Onetrip nur von exzellent Englisch sprechenden Guides geleitet werden, außerdem auf die obligatorischen Stops in Souvenirshops verzichten – dafür kosten sie halt etwas mehr. In den Häusern wird enorm Wert auf Gastfreundschaft gelegt. „Home is, where the heart is“ ist zwar ein kitschiges Motto, dass die Mitarbeiter aber mit Leben zu füllen versuchen.

Auf einer Tafel kann man jederzeit sehen, wer die aktuellen Gäste im Haus sind und woher sie kommen.

Ich bin über Airbnb auf das Haus gestoßen, insofern war es schlichtweg Glück. Schon beim vorherigen Mailaustausch habe ich gemerkt, dass man sich dort enorm um den Gast bemüht, und das hat sich von meiner Ankunft an bestätigt. Eine unheimlich herzliche Truppe arbeitet dort, mit denen man sich zudem prima unterhalten kann, weil auch bei den Mitarbeitern im Hotel darauf geachtet wird, dass alle gut Englisch sprechen – keine Selbstverständlichkeit in Vietnam. Und als Ngoc, eine der Mitarbeiterinnen, mir erzählte, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal eine Silvesterparty auf dem Dach des Hauses veranstalten wollten, war die Entscheidung klar: „Quatsch nicht, ich bin dabei“, würde „Ratte“ aus „Bang Boom Bang“ sagen.

Bei der Vorbereitung hat sich die Truppe richtig ins Zeug gelegt, hat fast alles für das Buffet selbst gekocht. Ich habe mich durch ein paar niedrige Handlangerdienste nützlich gemacht, was in erster Linie dazu diente, die Zeit vor der Party in der riesigen Gemeinschaftsküche des Hauses mit ein bisschen Quatschen zu verbringen. Währenddessen wurde oben auf dem Dach schon mal geschmückt. Ich mag ja solche Vorbereitungen auf Partys.

Christinas Freund Thu lebt im Saigoner Stammhaus und führt von hier aus die Kette. Die Party auf dem Dach war eine Premiere, denn bisher blieb das seitens des Hotels ungenutzt. Vielleicht mache man das künftig anders, sagte Thu, denn die anderen Häuser wollen er und Christina wieder zu machen, obwohl sie wohl ziemlich erfolgreich laufen. Aber er wolle einerseits mehr Zeit für die Gäste im „Mothership“ haben, wie das Stammhaus passenderweise heißt, und sich andererseits auf andere geschäftliche Aktivitäten konzentrieren. Er ist wohl in Vietnam ein ziemlich bekannter Youtuber, erzählten mir Mitarbeiter, und auch auf Instagram sehr erfolgreich. Seine Nicknames dort kenne ich allerdings nicht.

Das komplett vom Team selbst gekochte Buffet war großartig und hätte, wie die ganze Party, mehr Zuspruch verdient.

Es wurde dann ein wirklich netter Abend, auch wenn leider wenig Gäste aus dem Haus gekommen sind. Neben mir genau genommen noch zwei plus eine Kanadierin, die in Saigon lebt. Wir hatten aber auch so unseren Spaß und ein großartiges Buffet mit selbstgemachten Frühlingsrollen und Krabbenchips, Salaten, Schweinefleischröllchen und allen möglichen anderen Leckereien. Zu einer Party in Vietnam gehört, das habe ich gelernt, unbedingt eine Karaoke-Session. Da konnte ich mich natürlich nicht lumpen lassen, und habe mit meinem Klassiker „Country Roads“ und als Zugabe „Hey Jude“ nicht so schlecht dagestanden als einziger Teilnehmer ohne Piepsstimme.

Abgerundet wurde der Abend natürlich vom Feuerwerk, das man sich in Vietnam aber anders als bei uns vorstellen muss. Es gibt nämlich nur zwei offizielle, die beide am Fluss Saigon gezündet werden. Sonst gibt hier zum Jahreswechsel der Europäer kein Vietnames einen müden Dong für Knaller aus. Ich kann mir vorstellen, dass das zu Tet anders aussieht. Von der Premierenterrasse aus war das Feuerwerk allerdings gut zu sehen. Besser in jedem Fall als aus der dicht gedrängten Masse auf der Walking Street. Die Feier dort samt Countdown haben wir kurz vor Mitternacht auf einer Leinwand gesehen. Und da war mir nochmal klar: Ich war genau dort richtig, wo ich war.

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