Der Mann am Grill lacht. Ja, sagt er, schon viele Gäste hätten ihm gesagt, dass er wie ein Schauspieler aussieht. Sammy, so nennt er sich, hat eine Glatze, in der sich das Licht der Fackeln am Strand spiegelt, dunkle, fast schwarze Augen und sein Mund wird von einem Bart umrahmt, den man nach einer Google-Suche als Henriquatre identifiziert. Sammy sieht aus wie eine dunklere Version des Briten Ben Kingsley. Die Ähnlichkeit ist frappierend. Er lacht laut, als er das Foto des Schauspielers sieht. „Der sieht aus wie ich“, sagt er.
Das russische Paar, das sich nun vor seinen Grill stellt, bemerkt die Ähnlichkeit nicht, oder es ist ihnen schlicht egal. „How much“, fragt der Mann, ein stämmiger Kerl Mitte 40, und macht eine ausschweifende Bewegung über die Auslage. Frischer Fisch ist das Markenzeichen der Strandrestaurants an Sri Lankas Südküste. Sammy hat heute Red Snapper, Barrakudas, kleine Thunfische, King Prawns, Tintenfische und Hummer im Angebot. Der Red Snapper ist ein echter Schnapper, „1500 Rupies“, sagt Sammy. 7,50 Euro für den ganzen Fisch inklusive Beilagen. Dem Russen ist das zu viel. „1000“, sagt er grob. Sammy bleibt freundlich, man einigt sich schließlich auf 1400. Der Russe hat 50 Cent gespart und ist sichtlich zufrieden mit sich.

Sammy lächelt leicht gequält. Wegen ihres rüden Auftretens sind Russen als Touristen bei den Einheimischen nicht sonderlich beliebt. Hier in Unawatuna, 15 Minuten östlich der Küstenstadt Galle, bilden sie aber die Mehrzahl der Gäste. Und deren Zahl ist zuletzt so rapide gesunken, dass Sammy und die anderen rund 300.000 Menschen auf Sri Lanka, die mit dem Tourismus ihre Familien ernähren, über jeden Kunden froh sind. Es ist Hauptreisezeit auf Sri Lanka, aber an den Stränden von Mirissa, Unawatuna oder Bentota, die bekanntesten des Landes, spürt man davon nichts.
„Viele Gäste haben storniert“, sagt Viraj Silva, der für verschiedene Anbieter als Reiseleiter arbeitet, vor allem deutschsprachige Gruppen durchs Land führt. „Die Leute haben Angst vor dem Coronavirus.“ Dabei ist man laut Statistik in Sri Lanka sicherer als in Europa. Einen einzigen Verdachtsfall hat es bisher – zumindest offiziell – gegeben. Und der hat sich nicht bestätigt. Ob es wirklich nur dieser eine war, ist in einem Land mit lückenhafter Gesundheitsversorgung zwar schwer zu sagen. Für einen Virus aber, sagen die Leute, ist es im Moment auf Sri Lanka ohnehin zu heiß. Was nach Spaß klingt, ist für die Menschen bitterernst. Fünf von acht Rundreisen, für die er in den nächsten Monaten gebucht war, sind bereits storniert worden, sagt Viraj.
Der Tourismus ist der stärkste Wachstumsmarkt auf der Insel. Zwei Millionen Besucher kamen im Jahr 2018, nach den Plänen der Regierung sollten es in diesem Jahr doppelt so viele werden. Eine Serie von Bombenanschlägen am Ostersonntag 2019 hatte das Vorhaben erstmals erschüttert. Über 250 Menschen starben bei zeitgleichen Selbstmordattentaten durch islamistische Terroristen auf drei Kirchen und drei Hotels in und um Colombo. Die Attentate bremsten den zarten Aufschwung, in dem sich das Land zehn Jahre nach Ende des 30-jährigen Bürgerkrieges sah, jäh aus. Als Folge der Anschläge brach die Zahl der Buchungen dramatisch ein. Erst gegen Ende des Jahres zogen die Zahlen wieder an – um nun erneut abzustürzen.

„Es ist schwer“, sagt Jino, der in Unawatuna als Manager in einer kleinen Pension arbeitet und nebenher auch Tuk-Tuk fährt. „Es müssten doppelt so viele Touristen hier sein“, sagt er, „mindestens“. Mit seinen zwei Jobs kommt Jino verhältnismäßig gut über die Runden. Für viele andere gilt das nicht. Die Frauen und Männer, die am Strand Tücher, Postkarten, Souvenirs oder Kokosnüsse zu verkaufen versuchen, wirken zunehmend verzweifelt. Manche versuchen es mit einer Kombination aus Verkauf und Betteln. Denn sie alle müssen mit dem ohnehin bescheidenen Einkommen ihre Familien ernähren. Das gilt auch für die vielen Fischer, die täglich rausfahren, um die Restaurants und Hotels zu versorgen.
Den Russen am Grill und seine Frau interessiert das nicht. Nach dem kleinen „Sieg“ beim Schachern schnippt er mit den Fingern und lässt erstmal den Kellner antanzen. Zum ganzen Fisch für sieben Euro bestellt er großspurig eine Flasche Prosecco – „but very cold“, fügt er mit starkem Akzent hinzu. Die 30 Euro ist ihm das allemal wert.

